In der letzten Woche hatte ich dir die Aufgabe gestellt, einmal ganz genau zu beobachten, wie oft du dich an einem ganz normalen Tag nach vorne beugst… Ich denke, das kommt im Alltag doch relativ häufig vor.
Heute dagegen möchte ich von dir wissen, wie oft du dich im Alltag mit deinem Oberkörper nach hinten zurückbeugst? Na kommst du ins Grübeln?
Während wir uns im Alltag öfters nach vorne bücken müssen (um etwas aufzuheben, Socken oder Schuhe anziehen, …) findet die Gegenbewegung doch so gut wie gar nicht statt!
Wieso sollte ich meinen Oberkörper nach hinten beugen, wirst du dich jetzt vielleicht wundern. Es mag für dich ungewohnt sein, bist du vielleicht ein bisschen ängstlich, weil du nicht in diese Richtung schauen kannst? Aber unsere Wirbelsäule ist dafür gemacht, sich auch in diese Richtung zu bewegen und die Beugung nach hinten, lässt unseren großen Brustmuskel (pectoralis major) im wahrsten Sinne des Wortes aufatmen. Sie sind also ein wunderbarer Ausgleich bei unserem vorwiegend sitzenden Lebensstil.
Auch für absolute Yoga-Anfänger gibt es schon sehr wirkungsvolle Asanas, die geübt werden können so z. B.:
- Schulterbrücke (Setu Bandha Saravangasana)
- Kobra (Bhujangasana)
- Heuschrecke (Shalabasana) mit ihren vielen Variationen
Rückbeugen im Yoga: Körperliche Wirkungen
Bei den Rückbeugen wird deine Brustwirbelsäule nach hinten gestreckt und damit der Brustkorb geweitet, deine innen liegenden Organe (→ Lunge und Herz) werden weit und gedehnt. Deine Rückenmuskulatur wird kräftiger. Deine gesamte Körpervorderseite (Brust- und Bauchmuskeln, sogar die kleinen Muskeln zwischen den Rippen, die Hüften und die vordere Oberschenkelmuskulatur) werden gedehnt. Deine Brustwirbelsäule wird durch das Üben wieder beweglicher und kann ihrer natürlichen Aufgabe wieder nachkommen.
Dein gesamter Verdauungsapparat wird gestreckt. Beschwerden wie Sodbrennen oder Verstopfung können gemildert werden.
Durch die Dehnung der Atemhilfsmuskulatur vertieft sich dein Atem und mehr Sauerstoff kommt im Körper an. Du fühlst dich wacher, schwungvoller und hast einfach mehr Energie. Der Stoffwechsel jeder einzelnen Zelle deines Körper wird aktiviert und deine Konzentration verbessert sich.
Weiterhin regen Rückbeugen auch die Thymusdrüse an. Die Thymusdrüse hinter dem Brustbein, die bis zum jungen Erwachsenenalter sehr aktiv ist und dann nach und nach mit steigendem Alter immer weniger “arbeitet“. Sie ist sehr wichtig für unser Immunsystem (T-Lymphozyten werden “geschult“).
Rückbeugen – müssen die wirklich sein ?
Es gibt verschiedene Gründe, warum dem einen oder anderen Rückbeugen besonders schwer fallen, aber allen voran ist sicherlich unser Lebensstil, wie z. B. die Arbeit am Schreibtisch und vor dem Computer. Wer viel am Schreibtisch sitzt oder an der Kasse im Supermarkt wird ohne Ausgleichsbewegung früher oder später über Schulter- und/oder Rückenprobleme klagen. Es kann sich sogar, dadurch, dass die Schultern immer leicht nach vorne gezogen werden neben einer Verkürzung des großes Brustmuskels mit der Zeit ein Rundrücken (med. Hyperkyphose) ausbilden. Das führt wiederum zu einer Einschränkung des natürlichen Atemprozesses oder zu Herz-Kreislauf-Problem oder aber zu Motilitätsstörungen im Verdauungstrakt.
Durch das regelmäßige Üben von Rückbeugen kannst du einer ungesunden Haltung entgegenwirken und bleib so aufrecht und gesund bis ins hohe Alter!
Aber nicht nur Untätigkeit kann zu den oben genannten Beschwerden führen. Wer z. B. im Fitnessstudio ein einseitiges Training der Brustmuskulatur (“Pumpen“) absolviert ohne Ausgleichsbewegungen kann ebenfalls Schulter- und/oder Rückenbeschwerden bekommen.
Auf emotionaler Ebene wirken die Rückbeugen durch die Brustkorböffnung auf den Herzraum. So steht der Herzraum in der yogischen Philosophie (und nicht nur dort) für die Liebe. Aber nicht nur für die Liebe zwischen einem Paar oder zu den Nächsten, sondern auch für die Liebe zur Umwelt, zur Natur, zu allen Lebewesen, einfach zu allem, was uns umgibt.
“Mauern“, die wir aufgrund negativer Erfahrungen und Ereignisse um unser Herz im Laufe des Lebens gebaut haben, werden sukzessive wieder abgebaut.
Bei jeder neuen Rückbeuge kann sich dein Herzraum von neuem aus deiner eigenen Kraft heraus immer mehr weiten und du kannst wieder die schönen Dinge im Leben wahrnehmen und zulassen.
Was solltest du beachten?
Dadurch, dass es bei den Rückbeugen um die Öffnung des Herzraumes geht, steht auch die Brustwirbelsäule im Vordergrund, deshalb solltest du darauf achten, die Rückbeuge nicht aus dem unteren Rücken heraus zu machen. Anfängern fällt dies oft schwer, weil die Beweglichkeit in der Brustwirbelsäule noch nicht vorhanden ist. Eigentlich ist unser Körper faul und sucht sich den Weg des geringsten Widerstandes. Dabei erreichst du dann aber leider keine Öffnung im Herzraum und deine Lendenwirbelsäule kann dabei sogar Schaden nehmen.
Um dem unteren Rücken (LWS und ISG) nicht zu sehr zu belasten, solltest während der Ausführung sehr auf deine Bauchmuskulatur und deinen Beckenboden achten, das heißt immer leicht anspannen, um somit den unteren Rücken zusätzlich zu stabilisieren.
Trotz allem sei wieder geduldig mit dir und höre auf deinen Körper. Stechende Schmerzen sollten nicht sein. Gehe wie bei allen anderen Asanas langsam und bewusst in die Übung und genau so auch wieder aus der Übung und finde dazwischen genau die Balance, dass du dich nicht verletzt. Forde dich, aber überfordere dich nicht!
Versuche in jeder deiner Übungssequenzen eine Rückbeuge einzubauen und mach auch einfach mal zwischendurch nach längerem Sitzen oder einer Autofahrt eine Dehnübung, bei der du deinen Oberkörper nach hinten dehnst.
Tipps zum Üben:
- Bringe Länge in deinen Oberkörper, ziehe die Wirbelsäule auseinander
- Rückbeuge in der Bauchlage: Schambein in die Matte drücken, Beckenboden anspannen
- Rückbeuge im Stand oder sitzend: Schambein Richtung Bauchnabel ziehen
- Rückbeuge in Rückenlage: Unteren Rücken Richtung Boden drücken
- Bauchdecke und Beckenboden bei allen Variationen immer leicht anspannen
Ganz gleich für welche der vielen Varianten du dich entscheidest, versuche deine Aufmerksamkeit immer wieder zu deinem Atem zu lenken. Tief einzuatmen und in deinen Herzraum spüren. Dein Ausatem löst die Anspannungen wie von selbst auf. Du kannst dir dies auch bildlich vorstellen, wie du mit jedem Ausatem immer mehr loslässt so wie wenn bei einer mit Wasser gefüllten Badewanne der Stöpsel gezogen wird und immer mehr Wasser abläuft…
Schreibe einen Kommentar